Dienstag, 30. Oktober 2007

Die Last der Schuld

B"H

Das Schlimmste in einem haredischen (ultra - orthod.) Leben kann die eigene empfundene Schuld sein.

Eine Verdeutlichung:


Die Mutter hatte gerufen und die Erfahrung zeigte, daß derlei eindringlich ausgerufene Befehle unverzüglich auszuführen waren. Ohne umständlich nachzufragen. "Mach und frug nischt".

Ausgerechnet heute morgen war es einmal wieder soweit gewesen und die Mutter hatte nach Hilfe verlangt. Die Geschwister mußten für die Schule und den Kindergarten zurecht gemacht werden und sie als Älteste hatte da gewisse Verantwortungen. Aber gerade heute, wo sie eh schon zu spät dran war.

Zum Morgengebet Shacharit kam sie dann auch nicht und sie versuchte diese Tatsache zu vergessen. "Dann sage ich eben ein einziges Mal in meinem Leben kein Shacharit". Aber dann schaute die Lehrerin mit einem schrägen strengen Blick durch das Klassenzimmer. Die Frage, welche die Lehrerin stellte, hatte nichts mit einem Gebet zu tun, aber dennoch kam das große Unbehagen in ihr auf.

Sie hatte heute das Morgengebet noch nicht gesagt.
Ob man jemandem soetwas ansieht ?
Macht G - tt einem irgendein Zeichen ins Gesicht und der Schuldige ist für alle sichtbar ?
In den Spiegel hatte sie auch kaum geschaut, denn bei der Mutter mußte immer alles schnell gehen.
Und vielleicht fragte die Lehrerin nur nebensächlich, las aber in ihren Augen, daß sie heute morgen nicht gebetet hatte.

Ob vielleicht G - tt der Lehrerin einen versteckten Hinweis gab, daß da jemand Unzuverlässiges in der Klasse sitzt ?
Oder hat gar die Mutter doch etwas mitbekommen und ist nun von ihrer Tochter, der guten Schülerin, enttäuscht ?
Und G - tt ? Was denkt der jetzt ? Ob Er das kleine Geheimnis für Sich behalten kann ? Es soll ja auch nie wieder vorkommen.

Sie versuchte, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Mathematik in der dritten Grundschulklasse. Wenn nur der strenge Blick der Lehrerin nicht auf ihr lasten täte. Ganz bestimmt ahnt sie etwas, aber in der nächsten Stunde haben wir die neue nette junge Lehrerin und die merkt garantiert nichts.


Photo: Zbiniew Kosc